Band 2
Erdsängerin
Es ist eine lange Zeit vergangen, seit den Geschehnissen um den Elben Fearghas aus der Anderwelt und seine menschliche Familie. Generation für Generation wurde das Erbe der Erdsängerin weitergereicht, bis zum prophezeiten Tag des Erwachens der neuen Erdsängerin. Das Londoner Mädchen Isabell, genannt Tibby, feiert allein und traurig ihren 18. Geburtstag. Freunde hat sie nicht, der Vater ist schon lange tot – und der extravaganten Mutter, Inhaberin einer Model-Agentur, fällt nichts Besseres ein, als mit ihrem aktuellen Lover auf Kreuzfahrt zu gehen.
Der Tag nimmt eine Wende, als eine alte Freundin der Familie an der Tür klingelt und Tibby ihr Erbe im Namen des verstorbenen Vaters überreicht: Eine alte Kiste mit lauter wunderlichen Dingen.
Leserstimmen auf Amazon:
Wunderschön erzählt ist die Geschichte um die übergewichtige Tibby, die mit ihren 18. Jahren weder einen Freund noch enge Freunde hat. Es ist wunderbar sie aus ihren Kokon ausbrechen zu sehen und Stück für Stück das Geheimnis zu erfahren, dass sich um sie rankt. Ganz nah an der Figur der Tibby ist die Geschichte erzählt, in einem leichten, lockeren Stil und mit einer großen Prise Humor. Großartige Landschaftschaftsbeschreibungen und ungewöhnliche Charaktere runden die Geschichte ab – ich habe mit Tibby bis zur letzten Seite gebangt und gelitten. Große Leseempfehlung! (Tanja R.)
In meinen Augen ist Band zwei der Trilogie noch ein wenig stärker und eindringlicher als der erste Band. Die Figuren nehmen den Leser mit in ihr Leben und der Kampf um jede Entscheidung wird plastisch erlebbar.
Ein wundervolles Buch das zeigt, wie sehr jede kleinste Entscheidung das Ganze beeinflussen kann. (A. Berger)
Dieses Buch verwebt geschickt das Leben der „ersten Tibby (Fearghas Tochter)“ mit dem ihrer Enkelin, der „zweiten Tibby“, die als Erzählerin fungiert. Somit spielt ein Teil der Geschichte noch im 19. Jahrhundert, und ein weiterer im 20. Somit vermischen sich Rückblenden mit „Gegenwartsereignissen“, die durch ihre Verknüpfung zu einem runden Ganzen verschmelzen, und letztendlich viele Fragen, die während des Lesens entstehen, auch wieder beantworten. Ich fand es sehr spannend, sowohl die eine, wie die andere Zeitschiene zu verfolgen, nach der Lösung der Rätsel zu suchen, und immer wieder die große Liebe zum Detail zu entdecken, mit der Marlies Lüer ihre Protagonisten durch ihre Geschichte führt.
Der zweite Band steht für mich im Lesevergnügen dem ersten in nichts nach und so kann ich auch ihn nur wärmstens empfehlen. (Chayann)
Klappentext
Einst schmiedete Midirs Sohn, ein in Schottland gestrandeter Anderwelt-Elb, ein Zeremonialschwert für einen verbotenen Zweck. Diese Tat hat hundert Jahre später großen Einfluss auf das Leben von Tibby, der an ihrem 18. Geburtstag eine alte Holzkiste zugespielt wird, randvoll mit bezaubernd schönen Relikten, die ihre Ahnfrau an sie vererbt hat.
Nicht nur, dass ein Tagebuch von einem Familiengeheimnis spricht – als die Nacht hereinbricht, hat Tibby eine machtvolle Vision eines Schwertes, um dessen Griff sich ein kleiner, rotglühender Drache windet. Ein hypnotischer Sog geht von ihm aus und ruft sie in die Highlands. Sie macht sich auf nach Schottland, um das Geheimnis ihrer Herkunft zu ergründen.
Leseprobe:
Das rote Licht schien mich zu rufen, ich fühlte einen Sog von ihm ausgehen. Es dehnte sich aus, flackerte, schrumpfte und erlosch. Ich gab einen leisen Laut der Enttäuschung von mir. Aber dann hörte ich tief in mir einen leisen Singsang. Es war meine eigene Stimme. Ja, ich erinnerte mich! Und ich spürte einen unbändigen Drang zu tanzen. Meine Beine zuckten förmlich. Also richtete ich mich auf und gab mich den Erinnerungen aus meinen frühen Kindertagen hin. Ich war vielleicht vier oder fünf Jahre alt gewesen, hatte staksige Beinchen und trug lange Zöpfe. Tanzen! Immer rechtsherum, kleine Schrittchen. Wie die Sonne über den blauen Himmel tanzt. Die Arme hielt ich in die Höhe, so als wollte ich einen großen Ball in meinen Händen halten. Lächelnd gab ich mich der inneren Melodie hin. Ich tanzte ein Spiralmuster, meine Erinnerung wurde immer klarer, meine Tanzschritte sicherer. Es war, als würde sich ein Vorhang zurückziehen und Licht aus der fernen Vergangenheit in das Dunkel der Gegenwart einlassen.
Plötzlich krümmte mein Kinder-Ich sich zusammen. Mutter lief auf mich zu, ihr Gesicht vor Wut verzerrt! Warum war sie auf mich wütend? Ich hatte nichts Schlimmes getan. Sie schlug mich! „Du sollst das sein lassen! Ich habe es dir schon so oft verboten. Böses Mädchen!“ Noch ein Schlag. Wieder einer. Tränen. Geschrei. Mein Vater kam auf mich zu, nahm mich auf den Arm. Vaters starke Arme. Ich schlang meine Ärmchen um seinen Hals und weinte bitterlich. „Ich will zu meiner alten Mama!“ „Oma ist nicht da. Ich bringe dich jetzt ins Bett, mein Blümchen.“ „Neiiiin, nicht Oma! Ich will zur alten, dicken Mama!“ Vater klopfte mir beruhigend auf meinen verschwitzten Rücken. Er trug mich fort. Fort aus dem Garten, fort von meiner kreischenden Mutter. Was schrie sie ihm hinterher? „Du weißt doch, was aus deiner Schwester geworden ist!“ Durch meine Tränen hindurch sah ich, wie sie ihre Arme erbost in die Hüften stützte und uns hinterherstarrte. Ihre Augen waren voller Zorn. Oder war es etwa Angst, was ich sah?
Ich schnappte nach Luft und tauchte aus der Vergangenheit wieder auf. Als hätte ich in einen prall mit Erbsen gefüllten Sack ein Loch gerissen, strömten nun noch mehr alte Erinnerungen hoch. Das war nicht der einzige Vorfall dieser Art gewesen. In mir wuchs ein Gefühl heran, das ich lange, viel zu lange nicht mehr gespürt hatte. Grimm. Wut. Über all diese Ungerechtigkeiten. Über die Zumutung, diese Pillen schlucken zu müssen – nur, damit ich endlich still war. Keine Verrückte mehr war. Oh, ich war nie verrückt gewesen, Mutter. Ich war begabt. Ich hatte eine echte Gabe! Konzentriert überlegte ich, wen ich damals wohl mit „alte Mama“ gemeint hatte. Mir kam ein Begriff in den Sinn. Geha? Gaja? Wie war das Wort nochmal? Oma Gerda meinte ich damals ganz bestimmt nicht, denn sie war zart und klein gewesen. Und diese alte Mama war … dick und rund gewesen. Mal runzlig, mal jung. Ich fühlte, wie dieses Rätsel in mir steckte und nach oben drängte, raus wollte. Aber es steckte mitten in meiner Brust fest. Dort war es ganz eng ums Herz. Ich traf notgedrungen die Entscheidung, die Lösung des Rätsels auf später zu vertagen. Jetzt hatte ich anderes zu tun!
Denn ich würde mir nun das rote Licht zurückholen. Ich war mir auf einmal ganz sicher, dass ich das konnte. Mit neu erwachtem Selbstbewusstsein tanzte ich abermals die Spirale, ließ die Kreise immer ein wenig größer werden. Meine Arme anmutig erhoben, den Blick nach innen gerichtet. Ich summte die kleine monotone Melodie von damals. Mit jeder Umkreisung des imaginären Mittelpunkts wuchsen Kraft und Entschlossenheit. Heute würde es niemand wagen, mich zu bestrafen. Über meiner Magengegend begann es zu kribbeln, Wärme strömte in meinen Bauch. Mein Herz wurde weit. Freude! Ein Lachen wie Glöckchen! Und dann war es wieder da. Ich drehte mich abschließend einmal links herum, um die Verbindung zu verankern, aber woher wusste ich das? Ich ließ die Arme sinken und blieb stehen. Die kleine Lichtsäule flackerte wieder auf und wuchs kräftig in die Höhe. Sie streckte sich auf ungefähr sechs Fuß und formte ein immer deutlicher werdendes Bild. Ein altertümliches Schwert! Um die Schneide oben ringelte sich ein rotglühender Drache, sein Maul hatte sich in den Griff des Schwertes verbissen. Ich hörte ein Kinderlachen. Es schien aus weiter Ferne zu kommen. Hörte ich es, oder erinnerte ich es? Es war unheimlich. Atemlos starrte ich die Erscheinung an. Das war keine Erinnerung, das war Gegenwart! Ich fühlte eine enorme Hitze von dem Drachen ausgehen. Wieder ging ein Sog von dem roten Licht aus, diesmal stärker. Es war, als würde der feurige Drache mich zu sich ziehen wollen. Wie in Trance streckte ich meine Hand nach dem Schwertgriff aus. Der Drache riss sein Maul auf und schnappte warnend nach meinen Fingern. Rasch zog ich meine Hand zurück. Mein Herz klopfte wild und ich begann zu schwitzen. Dann schrumpften Lichtsäule und Drachenschwert blitzartig zu einem kleinen, tiefrot glühenden Punkt. Mit einem leisen Zischen verschwand dieser ins Nichts. Lange noch starrte ich ins zunehmend dichter werdende Dunkel der Nacht. Mein Herz klopfte kraftvoll, kampfbereit. Ich hatte das Bedürfnis, dieses Schwert zu ergreifen und eine Schneise zu schlagen. Raus aus dieser Enge, raus aus meinem erbärmlichen Leben. Aber es war weg. Ich war nicht schnell genug gewesen. Wieder hatte ich versagt! Ich tanzte noch drei Mal die Spirale, aber nichts geschah. Ich gab meine Bemühungen mit Tränen in den Augen auf.
Ein wenig zittrig ergriff ich meine Sandalen, betrat das Haus und schloss sorgfältig die Glastür hinter mir. Der Garten lag ruhig im Schein der Mondsichel, als wäre nichts geschehen. Barfuß ging ich nach oben in mein Zimmer, warf die Sandalen achtlos in die Ecke und ließ mich auf mein Bett fallen. Plötzlich war mir kalt, das Adrenalin in meinen Adern war verpufft. Was genau war eigentlich geschehen? Vielleicht hatte Mutter ja doch Recht und ich war geisteskrank. Der rosa Drache mit der goldenen Harfe schien mich vorwurfsvoll anzusehen. Hätte er jetzt in die Saiten gegriffen, wäre sicherlich ein Misston erklungen. Nein, mein Geist war klar! Daran wollte ich nicht rütteln. Was geschehen war, musste zur Realität gehören. Zu meiner Realität. Mein privates Universum war einfach größer als das anderer Menschen. Plötzlich verlangte es mich nach etwas Reinem, Ursprünglichem. Ich lief wieder die Treppe hinunter und suchte in der Küche nach Essbarem. Mafalda wollte erst morgen wieder einkaufen, aber irgendwas musste doch da sein? Ich fand schließlich einige Äpfel und Kirschsaft. Mafalda könnte mir wieder mal Reissuppe mit Kirschen und Cashewkernen kochen, am besten mit etwas Entenfleisch drin, dachte ich bei mir. Auf dem Weg nach oben mit meiner Beute fiel mir auf, dass meine Füße schmutzig waren und überdeutliche Spuren auf dem kühlen, weißen Marmor hinterlassen hatten. Nun, ein wenig echte Gartenerde konnte diesem sterilen Haus nicht schaden. Ich beschloss, alles so zu lassen. Sollte doch Mafalda sich darum kümmern!
Trotzig ging ich mit schmutzigen Füßen ins Bett und fühlte mich wie der Rebell des Monats. Ich sollte ein Foto von meinen Füßen machen, es rahmen und in die Eingangshalle hängen. Darunter ein Schild: „Hier lebt ein echter Mensch.“ Ich stellte mir Mutters Gesicht vor. Verächtlich verzog ich meine Mundwinkel. Vermutlich wäre das für sie kein Anlass zum Umdenken. Entschlossen verdrängte ich alle Gedanken an meine allgegenwärtige Mutter und widmete mich wieder der Kiste meiner Ahnin.
Die Zeichnungen waren mit Bleistift gemalt. Sehr seltsame Geschöpfe tummelten sich auf den vergilbten Blättern: im Wald, am See, in der Luft. Ihr Anblick begeisterte mich und nährte meine Seele, die es liebte, sich in Fantasien zu ergehen. Ein Blatt zeigte offenbar ein Reittier, denn es war gesattelt. Ein stämmiges kleines Wesen, rundlich wie ein Nilpferd, kräftige Beine, ein dünner Schwanz, der sich am Hinterteil ringelte. Mit seiner dicken Quaste hätte er besser zu einem Löwen gepasst, dachte ich. Der Kopf dieses Tieres passte allerdings überhaupt nicht zum Körper. Er hatte große Ähnlichkeit mit einem Kaninchenkopf, abgesehen von dem niedlichen Elefantenrüssel. Große dunkle Augen, sanft im Ausdruck. Putzige lange Ohren. Die Streifen des wolligen Felles erinnerten ein wenig an einen Tiger.
Auf dem nächsten Bild war ein seltsamer, in sich selbst verdrehter Baum verewigt. Er sah aus, als würde er tanzen! Hunderte Schmetterlinge umflatterten ihn. Oder waren das seine Blätter? Hinter ihm hatte der Zeichner ein Tal angedeutet. Der Baum schien eine Art Wegmarke zu sein, oder gar ein Wächter des Tales. Das dritte Bild berührte mich tief, ohne dass ich wusste, warum. Es zeigte ein Paar Männerhände, die sich wie eine Schale öffneten, und in den Händen saß ein großer Schmetterling. Die Tupfen auf seinen Flügeln waren asymmetrisch, runenähnlich und schienen willkürlich angeordnet zu sein. Er strahlte Würde aus. Ich hätte nicht sagen können warum, doch es war so. Die Hände, die ihn bargen, waren langgliedrig und kräftig. Hände, die zupacken, aber auch zärtlich sein konnten. Ich stellte mir den dazugehörigen Mann vor: Hochgewachsen, zuverlässig, intelligent, humorvoll, mit Sinn für Schönheit und doch kampfbereit. Ein Krieger? Ein Fürst? Schließlich griff ich zum letzten Bogen Papier. Er zeigte einen hellen Schwan, umgeben von dunkleren Artgenossen. Die anmutigen Vögel schwammen in einem großen See, in dessen Mitte ein Pavillon auf einer kleinen Insel stand. Er war überwuchert von einer Kletterpflanze, die mich an Blauregen erinnerte. Erst nach einer Weile entdeckte ich den kleinen Wasserkobold, der sich entspannt auf dem Rücken durchs Wasser treiben ließ.
Eine Erinnerung zerrte an mir. Wo hatte ich das schon einmal gesehen? Plötzlich stand es mir klar vor Augen. Und wieder lief ich die Treppe hinunter, nahm zwei Stufen auf einmal. So viel Bewegung wie an diesem Tag hatte ich lange nicht gehabt. Meine nackten Füße machten laute, patschende Geräusche im nachtstillen Haus. Vor Vaters Arbeitszimmer hielt ich inne. Nur sehr selten wurde von uns dieses Zimmer betreten. Mutter hatte es unverändert gelassen. Es sah so aus, als würde er eigentlich gleich wieder zurückkommen, sich an seinen Schreibtisch setzen und nach Mafalda klingeln, damit sie ihm eine Kanne Oolong-Tee kocht. Mafalda war seit seinem Tod die Einzige, die regelmäßig sein Zimmer aufsuchte. Jemand musste ja dort staubwischen und lüften. Erwartungsvoll drückte ich die Klinke herunter und schaltete die Beleuchtung an. Dort hing es! Vater hatte mir dieses Ölgemälde zu meinem zehnten Geburtstag geschenkt. Wir hatten es in einem Antiquitätengeschäft in der Portobello Road entdeckt. Ich quengelte so lange, bis er nachgab. Weil es sehr teuer gewesen war, bestand Mutter darauf, dass es nicht in meinem Kinderzimmer aufgehängt wurde. Und so fand es seinen Platz hier in diesem Raum. Irgendwie gehörte es wirklich hierher. Es machte das Zimmer zu etwas Besonderem. Ich ging näher heran und suchte das Bild ab. Im rechten unteren Quadrat war ein auffallender Baumstamm mit einer großen Krone abgebildet, er streckte seine obersten Zweige quasi über das ganze Gemälde. In der Baumrinde konnte man das Gesicht eines alten Menschen sehen, wenn man wusste, wonach man sucht. Winzige bunte Gestalten tanzten lebhaft Ringelreihen um den Baum. Aber ihre Gesichter waren nicht alle fröhlich. Alles war wilder Wald, ein magischer Wald, der mit der Leinwand verschmolz. Ein seltsames Nicht-Licht lag über dieser Landschaft, die dennoch auf ihre Art von innen heraus dezent leuchtete. Viel zu lange schon hatte ich das Gemälde nicht mehr betrachtet. Man konnte darin versinken und Zeit und Raum vergessen. Aber heute wollte ich mich nicht darin verlieren. Ich suchte nach dem Pavillon. Und ja – dort oben in der linken Ecke war er abgebildet. Dieselbe Anzahl an Säulen, derselbe Blauregen, die großen Vögel, die Schwänen so sehr ähnelten, aber doch irgendwie anders waren. Sogar der Wasserkobold schwamm dort seine Runden. Er war so winzig, dass ich Mühe hatte, ihn zu sehen. Wie kam der Entwurf für diese Szene, wenn er denn einer war, in die Kiste meiner Ahnin? Waren beide vom selben Künstler? Hatte sie selbst etwa das alles gemalt? Ich suchte nach einer Signatur, aber das Licht reichte nicht aus. Ungeduldig wühlte ich in Vaters Schublade nach der Taschenlampe. Sie lag tatsächlich noch immer in der zweiten Schublade von oben. Ob die Batterie noch Saft hatte? Ich machte die Probe aufs Exempel und hatte kein Glück. Sie war leer. Ich rannte in die Küche, wühlte dort in der großen Schublade, bis ich Ersatz fand. Na bitte. Ging doch! Fiebrig suchte ich nach einer Signatur und fand sie schließlich innerhalb einer Baumwurzel, ganz winzig: Midirs Sohn. Wie ungewöhnlich!
Nachdenklich ging ich wieder nach oben in mein Zimmer. Ich war einem Geheimnis auf der Spur, so viel war mir klar. Ein Familiengeheimnis, hatte Charlotte gesagt. Ich hockte mich wieder auf mein Bett und starrte vor mich hin. Wie hing das alles zusammen? Charlotte kommt und bringt mir diese Kiste. Plötzlich habe ich eine Verbindung zur Vergangenheit, zur Familie meines Vaters. Lauter Bücher und Bilder. All diese heftigen Erinnerungen an meine Kindertage. Meine Gabe. Das Bild in Papas Zimmer. Vor allem aber die Vision des Drachenschwertes! Was hatte das zu bedeuten? Wie in Trance räumte ich die Kiste wieder behutsam ein, ließ aber eins der handgebundenen Bücher draußen. Mir fiel die Signatur wieder ein. Midirs Sohn. „Midir“ kam mir irgendwie bekannt vor. Dann fiel es mir ein: Die Fairytales aus Magiyamusa – es gab eine Geschichte über das Anderweltwesen Midir, wie er aus Erbsenschoten eine Flotte Kriegsschiffe für die Iren zauberte.
Ich steckte meine schmuddeligen Füße unter die Bettdecke, knipste die Nachttischlampe an und machte es mir gemütlich. Das Büchlein entpuppte sich als Tagebuch meiner Urgroßmutter, das sie als Neunjährige zu schreiben begonnen hatte. Es strotzte nur so vor Rechtschreibfehlern, was sie mir gleich sympathisch machte. Sie malte vor jeden neuen Eintrag ein zierliches Blümchen.
* Mama hat mir Schreiben gelernt. Da war ich sieben Jahre. Ich konnte da mein Namen schreiben und wo wir wonen. Jetzt bin ich neun. Darum kann ich jetzt fiel meer schreiben. Mama hat mir ein Tagebuch geschenkt. Das ist eine Belonung sagt sie. So wie mein Lederdrache, den sie mir zu meinem zweiten Geburtstag genäht hatte. Ich soll ühben. Papa sagt, Rechnen muss ich auch ühben. Das am meisten.
An dieser Stelle horchte ich auf. Sie hat einen Lederdrachen gehabt? War das etwa derselbe wie meiner, der so uralt war?
* Großonkel sagt ein Datumm gehört auch zum Tagebuchschreiben. Also: heute ist der älfte März. Ich versuche jeden Sonntag was zu schreiben. Zwischen Frühstück und Kirche. Da darf ich nie raus zum Spielen. Weil mein Kleid sonst schmutzich wird sagt Mama. Papa sagt ich bin eine wilde Fee. Mama macht dann ein ärgerliches Gesicht. Großonkel ist mit Großtante heute bei uns zu Besuch. Er sagt Datumm schreibt man mit einem „m“. Also: Datum! Und schmutzich mit g: schmutzig!
* Heute hat Mama geweint. 9. April. Habe lange nicht im Tagebuch geschrieben. Aber darum ist sie nicht traurich. Traurich vielleicht auch mit g?
* Papa darf mir keine Gutenachtgeschichten mehr erzehln. Mama verbietet es. Sie sagt, er soll mir keine Flausen in den Kopf setzen. Was sind Flausen und wie tut man sie in einen Kopf? 18. April.
* Dritter Mai. Mama ist über Nacht bei Großtante, weil die sehr krank geworden ist. Sie kann den rechten Arm und das rechte Bein nicht mehr bewegen. Papa kann mir darum entlich wieder eine Gutenachtgeschichte erzehln. Ich habe mir die von der Farn-Fee die Blaubeerwein machen wollte gewünscht. Und weil ich dann immer noch wach war, hat Papa mir noch vom Wassakobold erzelt, der nicht mehr schwimmen wollte.
* Ich mag nicht jeden Sonntag schreiben. Elfter Juni. Nicht älfter!
Hier hielt ich inne. Ich kannte auch eine Geschichte von einer Fee, die Blaubeerwein machte. Entweder hatte Vater sie mir erzählt, als ich noch klein war, oder sie war aus einem meiner Bücher. Wenn es denn dieselbe Fee war! Geschichten gab es ja viele. Meine Ahnin schien mit ihren Eltern ähnliche Probleme gehabt zu haben: Eine Mutter, die verbietet, und ein Vater, der sich was verbieten lässt. Meine Augenlider wurden schwer, aber ich zwang mich weiterzulesen.
Hier wieder eure Chance am Ende von Marlies´ Woche eines der beiden Bücher zu gewinnen. 😉
Beantwortet uns dazu jeden Tag eine Frage. Je mehr Fragen richtig beantwortet werden um so mehr Lose können gesammelt werden. 😉
Unsere heutige Frage:
Welche Tiere spielen in „Melissas Welt“ eine wichtige Rolle und warum??
Regeln:
♥︎ Seid über 18 Jahre alt oder habt die Erlaubnis eurer Eltern.
♥︎ Nach Ablauf des Gewinnspiels kann ich euch im Falle des Gewinns eine Email senden. Hierfür müsstet ihr mir eure E-Mail hinterlassen.
♥︎ Wir übernehmen keine Haftung und es gibt keinen Ersatz falls das Paket verloren geht.
♥︎ Der Gewinn wird nicht bar ausgezahlt.
♥︎ Das Gewinnspiel endet am 27.09.2015 um 24:00Uhr. Die “Offenbarung” wird es auch zeitnah geben.
♥︎ Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.